»Planet X«: Gibt es doch eine große, unbekannte Welt am Rand unseres Sonnensystems?
Andreas von Rétyi
Vor wenigen Tagen gaben Weltraumforscher eine interessante Entdeckung bekannt. Mit dem 8-Meter-Subaru-Teleskop waren sie kürzlich auf einen bislang unbekannten, extrem weit entfernten Himmelskörper gestoßen. Fachleute wundern sich, wie das mysteriöse Objekt überhaupt in diese entlegene Region des Sonnensystems gelangt sein konnte. Als Ursache käme ein noch unentdeckter großer Planet infrage.
Gegenwärtig sorgt ein neu entdeckter Himmelskörper weltweit für Schlagzeilen: Das Objekt hält sich ungewöhnlich fern der Sonne auf, ist maximal halb so groß wie Pluto und scheint ein echtes Rätsel. Nach Ansicht einiger Experten, könnte V774104, so die ziemlich nüchterne vorläufige Bezeichnung des unscheinbaren Lichtpunkts, tatsächlich aber noch auf etwas anderes, viel Größeres hinweisen: einen Planeten, der in riesiger Distanz um die Sonne kreist. Das wäre dann genau jene hypothetische fremde Welt, die schon lange als »Planet X« bezeichnet wird. Sein Nachweis wäre eine Sensation!
Der 1930 entdeckte Pluto galt über Jahrzehnte hinweg als letzter planetarer »Außenposten« des Sonnensystems, bis dann immer mehr Himmelskörper im transneptunischen Raum gefunden wurden.
Der ohnehin kleine und von seiner Bahn her für einen »Großen Planeten« untypische Pluto verlor dann schließlich 2006 auch seinen alten Status.
Ein Fachgremium degradierte ihn damals zum »Zwergplaneten«, eine neue Kategorie, die eigentlich nur Verwirrung stiftet. Wie dem auch sei, als solcher wird nun auch der bemerkenswerte Neufund bereits allgemein angesprochen. An sich Vorschusslorbeeren, zumindest wenn man die Spielregeln genau nimmt. Denn eine offizielle Ernennung zum Zwerg steht noch aus.
Im Grunde spielt das alles natürlich keine Rolle. Was zählt, ist der Himmelskörper selbst. Und der sorgt (wiederum) für Staunen. Erst einmal befindet er sich rund 103-mal weiter von der Sonne entfernt als unsere Erde. V774104 hält damit zumindest gegenwärtig den Rekord als entferntestes
bekanntes Objekt in unserem gesamten Planetensystem.
Entdeckt wurde es bereits im Oktober von den beiden Astronomen Chad Trujillo und Scott Sheppard mit dem 8-Meter-Subaru-Teleskop, das vom japanischen Nationalobservatorium auf dem Mauna Kea, Hawaii, betrieben wird.
Zwar weiß man noch sehr wenig über den »Neuling«. Wenigstens ist seine Entfernung bekannt und eine sinnvolle Abschätzung zum ungefähren Durchmesser, der zwischen 500 und 1000 Kilometer liegen dürfte. Nicht riesig also, aber auch nicht direkt klein.
Man weiß aber noch nicht, wie die Bahn genau verläuft und ob sich V774104 derzeit eher in Sonnennähe oder Sonnenferne befindet. In solchen Distanzen bewegen sich Himmelskörper nur noch im absoluten Schneckentempo um die Sonne. Also wird es noch eine gute Weile dauern, bis Klarheit darüber herrscht, wie weit sich V774104 wirklich von der Sonne entfernen kann.
Schon jetzt aber erklären Forscher, ein Objekt dieser Größe dürfte es dort draußen eigentlich gar nicht geben! Überhaupt, auch andere, bereits länger bekannte Asteroiden wie Sedna oder 2012 V113, zählen zu dieser »paradoxen« Gruppe. Dass die Natur schlauer ist als sämtliche
Wissenschaft, hat sich längst herumgesprochen, doch Astronomen interessieren sich natürlich brennend dafür, das Geheimnis zu lüften und die Frage zu klären, warum in einer Zone, in der lediglich winzige Schöpfungsbrösel erwartet werden, doch ziemlich große Welten kreisen.
Auch der Astrophysiker Dr. Alan Duffy von der australischen Swinburne-Universität bestätigt das Rätsel: »Alles, was da draußen am Rand des Sonnensystems sein sollte, wären kleinste Trümmerstücke, Überbleibsel aus dem Durcheinander der Planetenentstehung.« Und der amerikanische Radioastronom Dr Luke Davies bestätigt: »Wie dieses Objekt dorthin kam, ist ein Mysterium.«
Der scheinbare Widerspruch muss freilich eine Lösung bergen. Tatsächlich wird schon länger darüber diskutiert: über die Existenz eines noch wesentlich weiter entfernten dunklen Planeten, vielleicht so groß wie Neptun, der die Asteroiden in diesen Bahnbereich geschleudert hat. Durchaus möglich.
Alternativ und rein rechnerisch gesehen, könnten auch zwei »Super-Erden« einst für einen solchen Effekt verantwortlich gewesen sein. Wie auch immer, die bekannten inneren Planeten, ob nun
Neptun, Uranus oder die noch näher an der Sonne kreisenden Riesen Saturn und Jupiter, hätten jedenfalls nicht genügend Schwerkraftwirkung besessen, um V774104 und seine Verwandten dorthin hinauszukatapultieren.
Auch ein zu Urzeiten vorüberziehender Stern hätte mit seinen Gezeitenkräften einigen Wirbel verursachen und die Bahnen vieler Himmelskörper dramatisch verändern können. Denkbar wäre sogar, dass dieser Stern einige seiner eigenen Asteroiden an unsere Sonne verlor.
Es gibt also Alternativen für das »Planet-X-Szenario«. Nur nachgewiesen ist bislang nichts. Selbst, wenn es andererseits den »großen Unbekannten« wirklich je gab, wird auch er möglicherweise nie gefunden. Denn vielleicht wurde er ebenfalls vor sehr langer Zeit schon aus dem Sonnensystem in den interstellaren Raum hinausgeschleudert.
Dann wäre die seltsame Asteroidengruppe von V774104, Sedna und anderen Objekten dort lediglich gespenstisches Zeugnis und letzter verbliebener Hinweis auf eine längst verlorene Welt. Gerade aber das Ungewisse steigert bekanntlich Spannung und Neugierde.
Immerhin, das Asteroidenrätsel am Rand des Sonnensystems existiert. Ob die derzeit neu auflebenden Spekulationen über »Planet X« allerdings auch die Wissenschaftler beflügeln, demnächst verstärkt nach ihm »Ausschau« zu halten?
.
Copyright © 2015 Das Copyright dieser Seite liegt, wenn nicht anders vermerkt, beim Kopp Verlag, Rottenburg
Bildnachweis: HelenField / Shutterstock, "AchtTNOs" by User:Aineiaz - Own work (German headline) + neustes bild von Hydra eingefügt, based on Image:EightTNOs.png, wich based itself on the public domain NASA image: Image:2006-16-d-print.jpg.. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons -
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Meinung des Verlags oder die Meinung anderer Autoren dieser Seiten wiedergeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen