Samstag, 10. Oktober 2015

Gefahr durch Außerirdische: Stephen Hawkings Sorge und eine Millionenspende

Gefahr durch Außerirdische: Stephen Hawkings Sorge und eine Millionenspende

Andreas von Rétyi

Kürzlich äußerte der britische Physiker und Kosmologe Stephen Hawking erneut seine Sorge vor weit entwickelten, aber feindseligen Intelligenzen aus dem All. Sie würden wahrscheinlich als Nomaden durch die Galaxis ziehen und jeden geeigneten Planeten erobern. Der Menschheit könne es dann ergehen wie den Ureinwohnern Amerikas, nachdem Kolumbus kam. Warum spricht Hawking ausgerechnet jetzt davon? Haben wir nicht andere Sorgen?

Stephen Hawkings Meinung hat meist einige Breitenwirkung, auch wenn seine Theorien und Gedanken nicht immer unwidersprochen bleiben. Dennoch, die Welt will wissen, was dieser vom Schicksal schwer geprüfte Mann, der weithin als einer der klügsten Köpfe der Gegenwart gerühmt wird, zu wesentlichen Aspekten von Wissenschaft und Gesellschaft denkt.


Hawking hat schon mehrfach eindringliche Warnungen geäußert, sei es nun zu einer bevorstehenden Selbstzerstörung der Menschheit, sei es auch zu möglicherweise gefährlichen Kontakten mit fremden Zivilisationen, mit außerirdischen Zivilisationen, um genauer zu sein.

Während viele weniger »berufene« Zeitgenossen auch heute noch beim bloßen Gedanken an Außerirdische müde abwinken, weil sie offenbar minderwertige Science-Fiction als das ganz große Kino konsumieren und allein daher schon einiges verwechseln, sieht Hawking überhaupt nichts Lächerliches oder Unwissenschaftliches an der Beschäftigung mit dieser Materie, die vorwiegend in Kreisen mit gewissem Bildungsanspruch sonst meist ein stereotypes Amüsement hervorruft, wenn auch bewusst oder unbewusst als schlichtem Schutzmechanismus.

Die Forschung hat sich der Sache allerdings schon lange angenommen. Natürlich gibt es auch hier noch genügend Berührungsängste, die weniger durch die Sache an sich als durch ihre allgemeine Rezeption begründet sind.

Immerhin, zum Jahr 1959 ist die Suche nach Extraterrestrischer Intelligenz (SETI) hoffähig geworden, nachdem zwei führende Physiker, Philip Morrison und Giuseppe Cocconi, eine sinnvoll erscheinende Methode entwickelt hatten, um nach Signalen außerirdischer Intelligenz zu fahnden.

Jeder weiß, dass seitdem zahlreiche, immer effektiver gestaltete Suchprogramme entwickelt wurden, um vor allem mit Radioteleskopen nach intelligenten Botschaften aus dem All zu »lauschen«. Ob diese Methode wirklich sinnvoll ist, sei einmal dahingestellt. Wir dürfen wohl kaum ernstlich davon ausgehen, in unserer näheren kosmischen Umgebung ausgerechnet solche Zivilisationen anzutreffen, die sich unserer gewiss ziemlich veralteten Methoden bedienen.

Angesichts des frühen technologischen Entwicklungsstatus der Menschheit, dürften unsere »Kollegen dort draußen« wesentlich weiter fortgeschritten sein.

Wie auch immer, die Suche geht weiter und Stephen Hawking unterstützt entsprechende Projekte. Die Wissenschaft folgt natürlich bislang weitgehend dem allgemeinen Konsens, sich nicht auf UFO-Daten oder Paläo-SETI-Konzepte zu möglichen frühen Visitationen fremder Wesen einzulassen.

Obwohl sie diese Option ausklammert, hält sie andererseits an der Möglichkeit fest, dass uns Außerirdische in der Zukunft durchaus besuchen könnten. Ein wenig paradox erscheint das schon. Denn wenn uns die anderen bereits vor Jahrtausenden technologisch um Jahrtausende voraus waren, wenn also unsere ferne Zukunft deren ferner Vergangenheit »gleicht«, dann spricht wohl nichts dagegen, dass alles, was wir für unsere eigene ungewisse Zukunft ins Kalkül ziehen, andernorts bereits längst geschehen ist. Nicht umsonst spekulierte sogar der 1996 verstorbene Astrobiologe und Skeptiker Carl Sagan, die Erde könnte schon vor Jahrtausenden Besuch erhalten haben. Aber sei's für den Moment einmal drum.

Wenn auch die Menschheit vielleicht nicht von sich auf andere schließen sollte, geht Hawking davon aus, dass auch fremde Zivilisationen vielleicht gar nicht so zivilisiert sind, sondern lediglich technologisch weit fortgeschritten. Sie könnten demnach relativ ähnlich »ticken« wie wir, sogar unter der Annahme, dass interstellare Raumfahrt wohl nur für eine Zivilisation realisierbar sein dürfte, die auf ihrem Planeten ein friedliches Miteinander erreicht hat.

Nur, was wissen wir schon, wenn wir ausschließlich unskennen? Jedenfalls empfahl Hawking schon vor längerer Zeit, wir sollten uns lieber ganz still verhalten, sollten lediglich lauschen, aber keinesfalls durch gezielte Signale ins All auf unsere Existenz aufmerksam machen. Getreu nach dem Motto: Schlafende Hunde soll man nicht wecken.

Erst einmal auf uns aufmerksam geworden, könnten sich extraterrestrische Konquistadoren auf den Weg machen, um unseren Planeten auszubeuten – wenn sie dann überhaupt noch eine einigermaßen »brauchbare« Welt antreffen sollten.

In einem Interview mit der spanischen Zeitung El Paísäußerte Hawking: »Wenn Außerirdische die Erde besuchten, könnte es der Menschheit ergehen wie den Indianern, als Kolumbus in Amerika gelandet ist. Und das ist für die Ureinwohner Amerikas nicht gut ausgegangen.«

Hawking verweist auf seine mathematische Denkweise und betont, die vorliegenden astronomischen Daten genügten ihm, um den Gedanken an Außerirdische absolut vernünftig erscheinen zu lassen. Aber, so Hawking: »Die wahre Herausforderung wird dann darin bestehen herauszufinden, wie die Außerirdischen wirklich sind.«

Das dürfte sich aber wohl erst bei einem direkten, offenen Kontakt mit ihnen erweisen. Hier malt der britische Kosmologe ein ziemlich düsteres Szenario: »Ich denke, das Überleben der menschlichen Rasse wird davon abhängen, ob wir in der Lage sein werden, neue Lebensräume im Universum zu finden, denn es gibt ein steigendes Risiko, dass diese Katastrophe die Erde zerstören wird.«

Im Sommer dieses Jahres erhielt die Suche nach Außerirdischen bekanntlich deutlichen Aufschwung, nachdem der russische Milliardär Juri Milner angekündigt hatte, die hohe Summe von 100 Millionen Dollar in diese Forschung investieren und das Breakthrough Listen-Project starten zu wollen.

Bei der öffentlichen Bekanntgabe dieser Entscheidung (am 20. Juli 2015) waren neben Juri Milner auch Stephen Hawking sowie der SETI-Pionier Frank Drake anwesend, außerdem der Planetenexperte Geoff Marcy, dann die mit Carl Sagan bis zu dessen Tod verheiratete Filmemacherin Ann Druyan sowie nicht zuletzt der Astrophysiker Baron Martin Rees von der Royal Society London.

Milners Projekt ist auf eine Dauer von zunächst zehn Jahren ausgelegt. Der Milliardär betont allerdings: Sollte die Suche bis dahin nicht erfolgreich verlaufen, werde er weiterhin Geld zur Verfügung stellen. Zum Einsatz kommen bereits vorhandene Teleskope – das neue Riesen-Radioteleskop in Green Bank und im optischen Spektrum der Automated Planet Finder, ein robotisches 2,4-Meter-Spiegelsystem des Lick-Observatoriums auf dem kalifornischen Mount Hamilton.

Das Instrument soll artifizielle Lasersignale aus dem All erfassen. Eine zweite Initiative Milners, Breakthrough Message soll mit jährlich einer Million Dollar die Entwicklung digitaler Botschaften fördern, die in »alter Tradition« Erde und Menschheit geeignet repräsentieren und von einer außerirdischen Zivilisation entschlüsselt werden sollen. Vor Absenden einer solchen Botschaft soll allerdings eine weltweite ethische Diskussion über diesen möglicherweise schicksalhaften Schritt stattfinden. Damit legt das Programm nicht fest, ob die wie auch immer beschaffene Nachricht dann tatsächlich abgeschickt wird.

Die Daten sollen alle offengelegt werden, Open-Source-Software zur Anwendung kommen und das Projekt mit SETI@home zusammenarbeiten, sodass jedermann per Privat-PC an der Suche teilnehmen kann. Man mag dazu in unseren Tagen natürlich gewisse Zweifel haben, doch sind das eben die mitgeteilten Vorgaben des Programms.

Ein paar zusätzliche Fragen drängen sich trotzdem auf. Beispielsweise, warum ein Multimilliardär ein solches Projekt überhaupt ins Leben ruft und satte 100 Millionen Dollar in eine möglicherweise gigantische Luftblase investiert. Im vergangenen halben Jahrhundert hat die ganze ETI-Suche nichts gebracht.

Das klingt unvermeidlich nach Verschwendung, gerade in Zeiten, in denen das Geld allerorten nicht gerade locker sitzt und auf der Welt genügend Probleme ihrer Lösung harren.

Zunächst aber: Wer ist überhaupt jener sagenhafte Millionenspender? 1961 in Moskau geboren, wanderte Milner als junger Mann in die USA aus und machte dort sein respektables Vermögen vorrangig als Internetinvestor. Studiert hatte er allerdings Physik und arbeitete auf theoretischem Gebiet, bevor er so erfolgreich in die Finanzwelt einstieg.

Seinen Vornamen wählten die Eltern nach dem Kosmonauten Juri Gagarin, und tatsächlich begann sich der Sohn für den Weltraum zu faszinieren. Doch enttäuscht von seinen Leistungen als Physiker habe er sich schließlich für eine völlig andere Karriere entschlossen. Trotz seiner wissenschaftlichen Ausbildung trat er schon recht früh ins Geschäftsleben ein, wenn auch mit demVerkauf illegaler DOS-Rechner in die Sowjetunion.

1990 studierte Milner dann an der Wharton School of Business in den USA, um anschließend bei der Weltbank zu arbeiten – verlorene Jahre, wie er sagt. Doch seine Karriere verlief steil, und Milner wurde reich, schwerreich sogar. 2012 erscheint er in der Bloomberg-Liste der 50 einflussreichsten Personen.

Interessant: Der noch wesentlich (einfluss)reichere ungarisch-amerikanische Mega-Spekulant George Soros förderte über sein riesiges Netzwerk die Ausbreitung des Internets in Ländern der Ex-Sowjetunion und wirkte mit dieser gezielt arbeitenden Maschinerie entscheidend am Ausbruch der Revolutionen mit, abgesehen davon, dass er mit seinen Spekulationen unter anderem auch den Rubelcrash von 1995 initiierte.

Milner rief seinerseits per Digital Sky Technologies (DST, heute die Mail.ru Group im Besitz von Alischer Usmanow, Juri Milner und Grigori Finger) die drei beliebtesten sozialen Netze in Russland ins Leben.

Nun, Kommunikation scheint damit Milners Leben geworden zu sein; im vorliegenden Fall geht es allerdings um die vielleicht etwas heikle Kommunikation mit Außerirdischen. Und genau die liegt Milner so sehr am Herzen, dass er dafür einen dreistelligen Millionenbetrag hinblättert. Obwohl er nicht glaube, dass es im All vor Leben nur so wimmelt, gibt sich der Mäzen überzeugt, dass wir nicht alleine im All sind, sagt er. Andersrum wird natürlich auch kein Schuh draus, dann ginge die Initiative eher gegen null.

Während der aus Deutschland stammende Internet-Milliardär Peter Thiel, übrigens Mitglied im Bilderberg-Lenkungsausschuss, dem ewigen Leben nachjagt, sind es bei Milner eben außerirdische Signale. Milner will neue Maßstäbe anlegen – die eingesetzte Technik soll 50-mal empfindlicher sein als frühere Methoden, außerdem soll ein fünfmal größerer Bereich des elektromagnetischen Spektrums erfasst werden, und zwar wesentlich schneller als früher. Alles zusammen soll das die Erfolgschancen sehr deutlich erhöhen.

Milner, der seit 2012 auch hochdotierte Physikpreise vergibt, will Grundlagenforschung fördern. Der kalifornische Journalist Jeff Bercovici sieht darin allerdings nichts als reinen Luxus, in einer Zeit, in der wir uns keinen Luxus leisten können. Nun, für Leute wie Milner dürfte das kaum ein Gegenargument sein.

Bercovici streicht bei seiner Kritik heraus, dass mit dem Milner-Projekt keinerlei Nutzen für die Menschheit verbunden sei, im Gegensatz zu Initiativen von Leuten wie Mark Zuckerberg, der Schulen und Krankenhäuser sowie auch Internetzugänge für die Dritte Welt finanziere. Oder Leutenwie Bill Gates, der Infektionskrankheiten bekämpfen und den Armen helfen wolle.

Bercovici scheint da wohl einige Dinge übersehen zu haben, denn so wohlmeinend wie sie scheinen, sind all jene Philanthropen bei genauerem Hinsehen nicht. Da darf man schon froh sein, wenn mal ein Projekt keinen Schaden anrichtet!

Allerdings sieht Bercovici für die nähere Zukunft bereits ein neues Schlachtfeld für kontroverse politische Debatten voraus, wo es darum geht, ob wir Kontakt zu unseren»Nachbarn im All« aufnehmen oder aber doch lieber schweigen sollten. Er sieht erregte Meinungskämpfe voraus, wie die Religionen auf die Nachricht eines Erstkontaktes reagieren würden, und letztlich auch, ob wir ein planetares Verteidigungssystem errichten sollten.

Bildet gerade letzterer Punkt möglicherweise den eigentlichen Hintergrund für die ziemlich publicityträchtige Aktion? Zumindest die Kritiker glauben das. Manche glauben sogar, dass Stephen Hawking mit seiner Warnung von aktuellen Problemen ablenken wollte, was allerdings schon recht gewagt ist.

Dann könnte er eher schon, wenn auch indirekt, auf ein aktuelles Kernproblem in unserer westlichen Gesellschaft hinweisen wollen. Bemerkenswert bis merkwürdig jedenfalls ist, dass ausgerechnet Hawking, der doch schon mehrfach davor gewarnt hat, durch gezielte Signale ins All auf die Menschheit aufmerksam zu machen, nun eine Initiative unterstützt, deren zweite Zielsetzung letztendlich darauf hinausläuft, möglicherweise eben genau solche Signale auszusenden.






.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen